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Für einen Nachmittag hat er sein Büro gegen die Wohnungen von Pflegebedürftigen getauscht. Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand wollte sich selbst davon überzeugen, wie Pflege in der Praxis aussieht. Das Experiment ist gelungen: Als Hillenbrand mit Antje Halbig von der Würzburger Caritas-Sozialstation St. Franziskus von der mehrstündigen Tour zurückkommt, ist er beeindruckt. Trotz der knapp bemessenen Zeit für jeden Patienten habe er bei Schwester Antje nie das Gefühl von Stress oder Hektik gehabt, bekennt er. „Da kam viel Zuwendung rüber.“

Der unmittelbare Einblick in den Pflegealltag gehört zum Konzept der bayernweiten Aktion „Rollentausch“. Sie gibt Verantwortlichen etwa aus Politik oder Kirchen Gelegenheit, sich dem Thema Pflege nicht nur theoretisch zu nähern, sondern Probleme und Fragen zumindest für einige Stunden hautnah zu erleben. Zu den Stationen, die Hillenbrand und die Altenpflegerin an diesem Nachmittag anfahren, gehört die Wohnung von Paul und Elise S. Die 85-Jährige pflegt ihren 91jährigen Ehemann seit acht Jahren. Mit der Vorstellung, ihren Mann ins Heim zu geben oder in ein betreutes Wohnen zu ziehen, kann sie sich nicht anfreunden.

Doch ohne die Hilfe der Sozialstation könnte das Ehepaar nicht mehr in den eigenen vier Wänden leben. Schon morgens hilft das Pflegepersonal Herrn S. bei der Morgentoilette. Frau S. wäre schon rein körperlich überfordert. Die zierliche Frau kann ihren Mann nicht alleine heben. Auch am Abend ist Hilfe da, wenn Paul S. ins Bett gebracht werden muss.

Um 17.45 stehen an diesem Nachmittag Antje Halbig und Generalvikar Hillenbrand vor der Tür. Halbig hat 15 Minuten Zeit, Herrn S. bettfertig zu machen. Zwischen 16 und 22 Uhr muss sie rund 25 Patienten besuchen. "Es war mir gar nicht bewusst, dass so viele Menschen hier in der Stadt jeden Tag auf den Pflegedienst warten", ist Hillenbrand erstaunt.

Dass es nicht immer leicht ist, mit dem wachsenden Zeitdruck umzugehen, weiß auch Burkhard Halbig, der Leiter der Caritas Sozialstation St. Franziskus. „Wir befinden uns ständig im Dilemma zwischen Wirtschaftlichkeit und Menschlichkeit“, sagt er beim Auswertungsgespräch nach der Tour. Nach den Worten von Matthias Fenger, Geschäftsführer des Caritasverbands für die Stadt und den Landkreis Würzburg, legt die Caritas großen Wert darauf, ihre Mitarbeiter zu befähigen, mit diesem Druck umzugehen.

Fenger ist dankbar für jede Unterstützung. Umso mehr freut ihn das Versprechen des Generalvikars, künftig bei den Pfarreien „Motivationshilfe zu leisten“ und sie für den Wert der Sozialstationen zu sensibilisieren. Für Matthias Fenger geht es vor allem darum, die Verbindung zwischen den Pfarreien und den bistumsweit 41 Caritas-Sozialstationen mit ihren etwa 1.000 Mitarbeitern zu festigen. „Wenn die Pfarreien ein Gespür für den Wert unserer Arbeit bekommen, ist schon viel erreicht.“

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